Aufsatz für den Fachbereich Gesundheitspsychologie im BDP 2001
Das Gesundheitswesen wird für den Einzelnen immer unübersichtlicher. Fast jedes
Jahr gibt es neue Berufsbezeichnungen auf dem Gesundheitsmarkt. Gleichzeitig
kennen viele nicht den richtigen Ansprechpartner, wenn sie gesundheitliche oder
psychische Fragen oder Probleme haben. Unser Gesundheitssystem ist vorwiegend
auf Kuration ausgerichtet. Prävention und der Umgang mit den stetig zunehmenden
chronischen Krankheiten erfordern aber andere Herangehensweisen. Andererseits gibt es ein großes Interesse an gesundheitlichen Themen.
Gesundheitsratgeber, gleich welcher Qualität, lassen sich immer gut verkaufen.
Viele Menschen sind auch bereit, alternative Wege zu erproben, ohne über
Qualitätsmaßstäbe zu verfügen, anhand derer sie unerprobte, fragwürdige Methoden
von hilfreichen unterscheiden könnten. Neben dem Interesse an der eigenen
Gesundheit und Fitness steigt auch der gesellschaftliche Druck auf jeden von
uns, Verantwortung für die Gesundheit zu übernehmen und diese nicht ganz den
sozialen Systemen zu überlassen.
Leider sind nicht alle Menschen mit dem nötigen Wissen ausgestattet, um diese
Verantwortlichkeit auch sinnvoll umsetzen zu können. Hier kommt der Gedanke des
Empowerment ins Spiel. Es geht hierbei darum, durch Informationsvermittlung,
Schulung, Ausprobieren von gesundheitsförderlichem Handeln, Menschen in die Lage
zu bringen, selbst gesundheitsförderliches Handeln in ihr Leben zu integrieren. Die oben angeführten Gründe bilden den Hintergrund für das neue Berufsbild des
Gesundheitsberaters, -trainers oder -coaches. Die Ärzte sind aus Zeitgründen
schon lange nicht mehr in der Lage, diese Aufgabe auszufüllen. Daher gibt es
inzwischen eine Reihe von Fortbildungsangeboten, die mehr oder minder fundiert
zum Gesundheitsberater ausbilden. Psychologen mit Erfahrungen und Ausbildung in
Gesundheitsförderung sind jedoch optimal geeignet, um Einzelpersonen oder
Gruppen als persönlicher Gesundheitsberater zur Seite zu stehen.
Üblicherweise verfügen Psychologen bereits über ein Fachwissen über
Selbstmanagement-Techniken, Stress-Bewältigung, Entspannungsverfahren oder
Methoden der Überwindung von Abhängigkeiten. Idealerweise sollten sie als
Gesundheitsberater auch über Fachwissen im Bereich gesunde Ernährung, Bewegung
und Grundlagen der chronischen Erkrankungen verfügen. Zumindest sollten sie aber
mit einer Reihe von Experten zusammenarbeiten, an die sie bei diesen Fragen
weiterverweisen könnten. Auch ein ärztlicher Check-up ist natürlich vor Beginn
der Beratung sinnvoll. Der Gesundheitsberater könnte entweder Gruppen zu bestimmten Themen anbieten, z.
B. Stressbewältigung. Er könnte aber auch mit Einzelpersonen ein individuelles
Gesundheits-Programm entwerfen und begleiten. Es muss im Sinne einer
Gesundheitsanamnese der aktuelle Status mit Gesundheitsressourcen und
-belastungen erhoben werden. Das gesamte Umfeld des Klienten muss in die
Betrachtung einbezogen werden. Dann muss gemeinsam mit dem Klienten eine
Priorisierung der zu behandelnden Themen durchgeführt werden. Dies könnte
beispielsweise der Einbau von mehr Bewegung in den Alltag oder das Aufgeben des
Rauchens sein. Später können dann weitere Themen bearbeitet werden.
Es müssen dann konkrete Schritte erarbeitet werden, mit denen der Klient seine
selbstgesteckten Ziele nach und nach erreicht. Gemeinsam müssen Hindernisse
erkannt und Mittel zu deren Überwindung entwickelt werden. Hier ist die
Vermittlung von Selbstmanagement-Techniken besonders wichtig. Dies ist auch der
entscheidende fachliche Vorteil, den Psychologen in der Gesundheitsberatung
bieten können. Ein reine Ernährungsberatung konzentriert sich meist auf die
Vermittlung von Wissen über gesunde Ernährung, hilft jedoch nicht bei der
Umsetzung im Alltag.
Je nach Bedarf kann so ein Gesundheitscoaching einmal wöchentlich oder auch in
größeren Abständen stattfinden. Auch die Intensität, in der der
Gesundheitsberater aktiv wird, kann variieren. Es kann durchaus sinnvoll sein,
selbst mit dem Klienten joggen zu gehen oder zumindest einen persönlichen
Trainer für ihn zu organisieren. Auch das Medium der Beratung kann wechseln.
Neben persönlichen Treffen können natürlich auch telefonische, briefliche oder
elektronische Kommunikation ein gesetzt werden. Von der Arbeitsweise unterscheidet sich das Gesundheitscoaching also nicht allzu
sehr vom herkömmlichen berufsbezogenen Coaching. Allerdings ist das Themenfeld
ein völlig anderes, so dass anderes Fachwissen und ein anderes Expertennetzwerk
erforderlich sind. Bei beiden Themen ist aber in nächster Zeit mit einer
steigenden Nachfrage zu rechnen.
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